“Wir sehen dem Informationsfreiheitsgesetz mit Hoffnung und Skepsis entgegen!”

Reporter ohne Grenzen fordert Nachbesserungen aus Perspektive von Journalismus und Medien

Am Montag, 1. September 2025, tritt in Österreich das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Dessen Einführung wurde nach jahrelangen Forderungen im Jänner 2024 von der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen beschlossen und sollte dafür sorgen, dass Österreich als letzter EU-Mitgliedsstaat der Amtsverschwiegenheit das längst überfällige Ende bereitet. Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich ist seit jeher dafür eingetreten, dass rechtliche Grundlagen für mehr Transparenz und Offenlegung der Verwaltungsabläufen geschaffen werden, die sich etwa an den modernen Standards von Schweden und Deutschland orientieren.

“Wir sehen dem Inkrafttreten mit Hoffnung und Skepsis entgegen”, erklärt ROG-Präsident Fritz Hausjell. “Einerseits sind wir froh, dass wir mit dem Gesetz einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht haben, andererseits sehen wir aber Unzulänglichkeiten, die mit den Ansprüchen kritischer und investigativer Medienarbeit nicht vereinbar sind.” Zu bemängeln ist zunächst die Einschränkung bei der Aufhebung des Amtsgeheimnisses in Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Davon betroffen ist vor allem der Lokaljournalismus, der beispielsweise bei Recherchen zu Missständen bei Flächenwidmungen sowie in der Sozial- und Umweltpolitik weiterhin auf verschlossene Türen trifft. Darüber hinaus sorgen sowohl die Vergebührung als auch die Auskunftsfristen über mehrere Wochen für Barrieren, die kleinere Redaktionen sehr schnell vor Probleme stellen können. Weiters sind keinerlei Kommissionen oder Prüfstellen vorgesehen, die im Falle von Beschwerden zu einer unabhängigen und unbürokratischen Entscheidung herangezogen werden können.

“Alleine die Skandale und Vertuschungsversuche in der österreichischen Politik der vergangenen Jahre bestätigen die Notwendigkeit, entsprechend wirksame Instrumentarien zu deren Aufklärung und schließlich auch zur Eindämmung einzusetzen”, setzt Fritz Hausjell nach. “Wir fordern, dass mit dem 1. September 2025 die Debatte zur Verwirklichung von Informationsfreiheit im EU-Schlusslichtland nicht plötzlich aufhört. Österreich braucht mehr Demokratie und Transparenz, dafür sind rasche und deutliche Nachbesserungen durch die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS unerlässlich!”

(ROG 28-08-2025)

Fotocredit: Nico Knaack (Unsplash)

Gaza: Medienschaffende im Visier gezielter Tötungen

Reporter ohne Grenzen fordert sofortigen Schutz der Berichterstattung und eine Friedenslösung mit Sicherstellung der Pressefreiheit

Für Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich markiert der Krieg in Gaza einen beispiellosen Zivilisationsbruch, der die Welt in Fassungslosigkeit zurücklässt. “Während die Mechanismen der internationalen Staatengemeinschaft zur dauerhaften Konfliktlösung weitgehend versagen”, zeigt sich Generalsekretär Martin Wassermair besorgt, “wird auch das erste Zusatzprotokoll der Genfer Konvention von 1977, das Journalistinnen und Journalisten in Kriegs- und Konfliktgebieten besonderen Schutz zusichert, immer rücksichtsloser missachtet”. Die gezielte Tötung von Medienschaffenden ist in Gaza seit langem erschreckende Realität.

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich fordert unverzüglich wirksame Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens und betont zugleich, dass die Sicherheit und Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten dabei ausreichend Beachtung finden müssen. Die Wiederherstellung des Friedens ist aktuell das größte Gebot der Stunde. ROG-Präsident Fritz Hausjell führt im Hinblick auf die Bedrohung von Medienschaffenden näher aus: “Dazu zählen nicht nur der Schutz vor militärischen Angriffen, Einschüchterungen und willkürlichen Verhaftungen, sondern auch die Einrichtung internationaler Mechanismen, die Pressefreiheit wirksam beobachten und sichern können.” Gleichermaßen wesentlich ist der uneingeschränkte Zugang zu Informationen: “Eine unabhängige Berichterstattung benötigt Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen, ohne politischer oder militärischer Kontrolle ausgesetzt zu sein.”

Darüber hinaus sind eine stabile digitale Infrastruktur und die notwendige technische Ausstattung unerlässlich, um Informationen schnell und sicher verbreiten zu können. Das erfordert zudem umfassende Schulungen in digitaler Sicherheit, damit Journalistinnen und Journalisten besser gegen Überwachung, Manipulation und Desinformation geschützt sind. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Aus- und Weiterbildung. Journalistinnen und Journalisten müssen Zugang zu professionellen Trainings in investigativen Methoden, Konfliktberichterstattung, Fact-Checking und Storytelling erhalten. Internationale Kooperationen können hierbei zusätzliche Schutzräume schaffen und den Austausch sowie die Sichtbarkeit unabhängiger Stimmen stärken. “Es ist zwingend nötig”, erklärt Hausjell, “dass die Arbeit von Medien in Kriegsgebieten auch von allen am Konflikt Beteiligten als wertvoller Beitrag zu Demokratie, Gerechtigkeit und dauerhaftem Frieden anerkannt wird”. Um Zukunftsperspektiven zu schaffen, darf Gaza zudem nicht auf Leid und Zerstörung allein reduziert werden. Es gilt, eine neue Generation von Journalistinnen und Journalisten zu fördern, die über das Bild des Krieges hinaus auch kulturelle Entwicklungen, den Alltag der Menschen und neue Zuversicht sichtbar machen. Journalismus kann den Raum für vielfältige Erzählungen und Sichtweisen eröffnen, die stereotype Konfliktmuster überwinden. “Die Pressefreiheit ist ein unverzichtbares Fundament. Gerade in einem von Krieg und Gewalt zerrissenen Gebiet wie Gaza muss sie sichergestellt und vital entwickelt werden – nicht zuletzt, um Wege zu Gerechtigkeit und Frieden zu öffnen“, so Fritz Hausjell und Martin Wassermair abschließend.

(ROG 21-08-2025)

FPÖ attackiert zivilgesellschaftliches Engagement

Reporter ohne Grenzen stellt sich gegen Diffamierung von NGOs und Schwächung der Demokratie

Die in weiten Teilen rechtsextreme FPÖ hat den zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen Sektor erneut ins Visier ihrer politischen Rundumschläge genommen. Am 27. Juni 2025 brachte die Partei unter Herbert Kickl eine parlamentarische Anfrage an alle Bundesministerien ein, die vor Diffamierungen nur so strotzt und 2.175 Einzelfragen auf 228 Seiten zu 725 Organisationen umfasst – darunter auch Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich. „Die Vorgehensweise folgt einer sattsam bekannten Strategie“, erläutert Generalsekretär Martin Wassermair, „gemeinnützige Vereine und unzählige ehrenamtlich Engagierte werden pauschal verächtlich gemacht und als ‘NGO-Business’ unter einen Generalverdacht gestellt“.

Was sich in derartigen Attacken der FPÖ zu erkennen gibt, ist aktuell vor allem in rechtspopulistisch regierten und in autoritären Staaten zu beobachten. Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich, warnt vor „diesen gefährlichen Mustern, die auch vor Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht halt machen und das Ziel haben, gesellschaftliche Beteiligung und Kritik, also wesentliche Elemente der Demokratie, durch Angriffe auf die Zivilgesellschaft einzuschränken oder gar zu beseitigen“. Am Ende mündet es in Verhältnissen wie in Russland, das im international vergleichenden Pressefreiheitsranking Platz 171 von 180 einnimmt. Putins Regime hat vor wenigen Tagen Reporter ohne Grenzen auf die Liste der unerwünschten Organisationen gesetzt. Für jede Form der Zusammenarbeit mit der weltweit agierenden Pressefreiheitsorganisation – selbst für das bloße Teilen ihrer Beiträge in den „Sozialen Medien“ – setzt es Geldbußen oder sogar Haftstrafen.

Auch in Ungarn, Italien und der Slowakei zielen totalitäre Kräfte darauf ab, zivilgesellschaftliche Beteiligung am Gemeinwesen zu untergraben und dafür wichtige Grundlagen wie Medienvielfalt und Pressefreiheit zu schwächen oder zu beseitigen. „Der FPÖ geht es nicht, wie sie oft vorgibt, um Kontrolle von Steuergeldern, sondern um die Schwächung wichtiger demokratischer Strukturen“, so Hausjell. Die Soziologin Ruth Simsa und der NGO-Experte Michael Meyer von der Wirtschaftsuniversität Wien bezeichneten bei einer Pressekonferenz des Wissenschaftsnetzwerks „Diskurs“ das Vorgehen der FPÖ jedenfalls als gezielten Versuch, zivilgesellschaftliches Engagement einzuschränken. Die FPÖ setze auf einen „schleichenden Prozess vieler kleiner Schritte“, erklärte Simsa. Das Zurückdrängen von NGOs sei Teil dieser Strategie, da eine kritische Öffentlichkeit autoritäre Entwicklungen störe.

Auf abwertende Rhetorik wie den Begriff „NGO-Business“ folge meist weniger Austausch zwischen Politik und Zivilgesellschaft, wie schon während der türkis-blauen Koalition zu beobachten war. Reporter ohne Grenzen Österreich kritisiert diese demokratieschwächende Strategie der FPÖ. Präsident Fritz Hausjell setzt vor allem darauf, dass „andere politische Parteien, journalistische Medien sowie Bürgerinnen und Bürger die Ziele dieser freiheitlichen Vorgehensweise erkennen und als solche in den politischen und publizistischen Debatten auch erhellend benennen“.

(ROG 18-08-2025)

Fotocredit: Pyae Sone Htun (Unsplash)

Öffentliche Medien geraten immer mehr unter Druck

Reporter ohne Grenzen sieht Bewährungsprobe für europäische Demokratien

Am 8. August 2025 tritt das Europäische Medienfreiheitsgesetz in Kraft, das den EU-Mitgliedstaaten Verpflichtungen zum Schutz der öffentlich-rechtlichen Medien auferlegt. Tatsächlich sind diese in den vergangenen Jahren empfindlich unter Druck geraten. “Neben Wirtschaftskrise und dem Druck der Social-Media-Giganten sind vor allem globale Entwicklungen zu beobachten, dass Regierungen journalistische Medien immer öfter als politisches Instrument der Propaganda und Machtausübung gefügig machen wollen”, erläutert Martin Wassermair als Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich die wichtigsten Erkenntnisse eines aktuellen Berichts von RSF International.

Öffentlich-rechtliche Medien geraten besonders vehement ins Visier – so auch der ORF. “In Anbetracht der medienpolitischen Repressionen in Nachbarstaaten wie Italien, Slowakei und Ungarn, aber auch mit Blick auf die Einstellung des Senders Radio Liechtenstein, ist weiterhin davor zu warnen, dass demokratiefeindliche Kräfte in der österreichischen Parteienlandschaft sachliche, pluralistische und unabhängige Informationen für ein möglichst breites Publikum ebenfalls ausschalten wollen”, unterstreicht ROG-Präsident Fritz Hausjell. Die Recherchen von RSF International zeigen auf, dass gerade Rundfunkgebühren, die in zehn der 27 Mitgliedstaaten eingehoben werden, von populistischer Stimmungsmache betroffen sind. Umso mehr sind auch für Österreich die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Hausjell und Wassermair fordern daher seitens RSF Österreich im Einklang mit dem internationalen Netzwerk konkret: “Wir brauchen stärkere Garantien für die parteipolitische Unabhängigkeit und fachliche Qualifikation bei der Ernennung von Führungskräften öffentlich-rechtlicher Medien. Zudem sind mehr journalistischer Binnenpluralismus und noch höhere Absicherung der inneren Medienfreiheit Gebote der Stunde. Die Schaffung einer von Partei- und Interessenpolitik völlig unabhängigen Stelle zur fachlich begründeten Abschätzung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Medien sowie gezielte Maßnahmen zur Personalrekrutierung und -entwicklung mit dem Ziel, möglichst divers zusammengesetzte Redaktionen zu erreichen, gehören ebenfalls zu empfohlenen Schritten, um als starker ORF die in Österreich lebende Gesellschaft medial demokratiestärkend in die Zukunft zu begleiten.”

Download – RSF-Bericht Druck auf öffentliche Medien (in englischer Sprache)

Kritischer Dialog mit der Medienpolitik

Reporter ohne Grenzen setzt Impulse zur Stärkung von Journalismus und journalistischen Medien

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich hat in der Halbjahresbilanz 2025 zur Medienpolitik deutlich gemacht, dass wichtige Vorhaben der Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS noch nicht richtig Fahrt aufgenommen haben. Das betrifft einerseits die Stärkung von Journalismus und journalistischen Medien, um sich zukünftig gegen politische Einschränkungen von Informationsfreiheit und Verringerung von Meinungsvielfalt zu behaupten. Andererseits ist sicherzustellen, dass Propaganda und Fake News in Schranken gewiesen werden, was nicht zuletzt mehr Vermittlung medialer Kompetenzen auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen erfordert. “Aus diesem Grund suchen wir neben den wichtigsten Ansprechpersonen in den Ministerien auch aktiv das Gespräch mit den Mediensprecherinnen und Mediensprechern der politischen Parteien in Regierung und Opposition, um auch ihnen gegenüber die notwendigen Impulse für eine Stärkung der journalistischen Abwehrkräfte zu setzen”, erklärt ROG-Präsident Fritz Hausjell.

Den Auftakt machte Henrike Brandstötter, Mediensprecherin der Regierungspartei NEOS. Der gemeinsame Austausch erzielte Übereinstimmung, dass insbesondere das Europäische Medienfreiheitsgesetz anlässlich des Inkrafttretens am 8. August 2025 öffentliche Aufmerksamkeit finden muss. Dessen Bestimmungen zielen darauf ab, die Medienfreiheit sowie die journalistische Unabhängigkeit in der Europäischen Union zu schützen und die Eigentumsverhältnisse bei Medien transparenter zu gestalten. “Gemeinsam mit dem Informationsfreiheitsgesetz, das ab 1. September in Österreich gelten wird, finden wir bedeutsame legistische Grundsteine vor, bei deren Umsetzung unser kritischer Blick auch weiterhin auf die Politik gerichtet bleibt”, so Hausjell abschließend.

(ROG 21-07-2025)

Fotocredit: Parlementsdirektion / Johannes Zinner