Russisches Fake-Video instrumentalisiert RSF

Ein gefälschtes Logo der BBC, frei erfundene Aussagen: Im Kurznachrichtendienst X kursiert ein Video über eine angebliche Studie von Reporter ohne Grenzen (RSF). Ukrainische Soldaten sollen beim Einmarsch in die russische Grenzregion Kursk in mehr als 1000 Fällen Nazi-Symbole gezeigt haben. Doch der virale Clip ist ein Fake: Weder existiert eine solche RSF-Studie, noch hat die BBC einen entsprechenden Bericht produziert. Bei den im Video verwendeten Zitaten von RSF-Vertretern handelt es sich um Fälschungen. Der Kurzfilm ist Teil einer russischen Desinformationskampagne.

Video stammt von russischem Troll

Einer Analyse von RSF zufolge wurde der Clip zum ersten Mal am 24. August auf einem X-Account mit dem Usernamen Patricia gepostet. Bei diesem handelt es sich offensichtlich um einen russischen Troll: Der Account weist Patricia als angebliche Übersetzerin aus Frankreich aus, verwendet als Profilbild aber eine Aufnahme einer russischen Fotodatenbank zum Erstellen von Avataren. Zudem setzt das Konto täglich etwa 40 Posts mit Kremlpropaganda in Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch ab. Noch am selben Tag wurde der Clip von dem irischen Propagandisten Chay Bowes geteilt, der in Russland lebt und für das staatliche Propagandamedium RT arbeitet. Bowes ist für antiwestliche Positionen bekannt und verbreitete im August Fake-News über eine angebliche Affäre der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock.

Am darauffolgenden Tag schaffte der Clip den Sprung auf den in Russland sehr beliebten Messengerdienst Telegram: Der prorussische Aktivist Simeon Bojkow aus Australien verbreitete das Video in seinem Kanal Aussie Cossack, welcher über mehr als 83.000 Follower verfügt. Bojkow versteckt sich seit 2023 im russischen Konsulat in Sydney, um einem Haftbefehl wegen mutmaßlicher Körperverletzung zu entgehen. Er soll einen pro-ukrainischen Demonstranten während einer Kundgebung angegriffen und verletzt haben.

Soziale Medien verbreiten das Fake-Video

Von Bojkows Kanal aus fand das Video Eingang in die staatliche Propaganda: Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, berief sich in ihrem Presse-Briefing vom 28. August auf die angebliche RSF-Studie, um vermeintliche Kriegsverbrechen der Ukraine zu belegen. Anschließend verbreiteten russische Botschaften in DeutschlandChileBulgarien und anderen Ländern die Falschnachricht auf X und Facebook. Zudem teilten russische Kriegsblogger wie Sergej Koljasnikow und Propagandisten wie Ruslan Ostaschko, der Moderator einer Propagandatalkshow des Staatssenders Erster Kanal, den Clip.

RSF hat bereits zwölf Beschwerden bei X eingereicht und fordert, den Clip zu löschen. Der Kurznachrichtendienst prüft diese bisher. Auch Telegram wurde aufgefordert, das Video zu entfernen. Eine Reaktion des Dienstes steht bisher aus.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz 162 von 180.

Konstruktiver Meinungsaustausch zwischen Justizministerin Zadić und„Reporter ohne Grenzen Österreich“

Aktuelle Fragen zur Lage von Presse-, Medien- und Informationsfreiheit in
Österreich standen im Mittelpunkt eines Gesprächs, zu dem die
Bundesministerin für Justiz, Dr.in Alma Zadić, und von „Reporter ohne Grenzen
Österreich“ (RSF) Vorstandsmitglied Michael Kerbler sowie Präsident
Ao.Univ.Prof. Dr. Fritz Hausjell zusammengetroffen sind.

Ein zentrales Thema war die Frage nach dem Stand der vom
Verfassungsgerichtshof geforderten Reform des Datenschutzrechts bei
Medienunternehmen. Wie müssen künftig Medien mit Daten von Personen,
über die berichtet wird, umgehen, wenn diesen Daten von Informantinnen zugespielt wurden? Müssten Medien solche Daten offenlegen, „wäre das Redaktionsgeheimnis – ein zentrales Werkzeug des Journalismus – dramatisch gefährdet“, argumentierten Hausjell und Kerbler. Insbesondere Whistleblower würden dadurch abgeschreckt werden, Medien wichtige Informationen zuzuspielen. Die Konsequenz: Die Veröffentlichung investigativer Recherchen wäre bedroht. Es gelte, so die Vertreter der Pressefreiheitsorganisation, „die Freiheit der Recherche zu sichern, Informantinnen zu schützen und das
Redaktionsgeheimnis nicht auszuhöhlen“. Sie stießen damit bei Justizministerin
Zadić auf volle Zustimmung, die betonte, dass eine Reform des
Datenschutzrechts jedenfalls die wichtige Watchdog-Funktion von Medien
beachten müsse. Ebenso müssen der Quellenschutz und der Schutz des
Redaktionsgeheimnisses umfassend gewährleistet bleiben. Die Ministerin
bestätigte auch, dass innerhalb der Koalition zielstrebig die vom
Verfassungsgerichtshof geforderte Reform des Datenschutzgesetzes ohne
politische Junktimierung mit einer anderen Rechtsmaterie zeitgerecht über die
Bühne gebracht werde.
Zum vom Koalitionspartner ÖVP seit langer Zeit gewünschten und zuletzt
immer heftiger geforderten journalistischen Zitierverbot aus Ermittlungsakten
wiesen die Vertreter von „Reporter ohne Grenzen Österreich“ einmal mehr auf
die „enorm schädlichen Auswirkungen eines derartigen Verbots für den
kontrollierenden Journalismus“ hin. Wie bereits in einem Gespräch mit
Verfassungsministerin Dr. Karoline Edtstadler im Jänner betonten sie, dass
damit auch die Beschuldigtenrechte beschnitten würden. Justizministerin Zadić
steht einem journalistischen Zitierverbot ebenfalls ablehnend gegenüber. „Die
gewünschte Stärkung von Staatsanwaltschaft und Richter*innenschaft
gegenüber vorverurteilender sowie vorfreisprechender
Medienberichterstattung würde man indes eher durch Maßnahmen zur

Schaffung von Transparenz von LitigationPR erreichen“, argumentierte
„Reporter ohne Grenzen Österreich“ in diesem sehr konstruktiven
Meinungsaustausch gegenüber der Justizministerin. Hausjell empfiehlt ein
dafür geeignetes Register, in dem alle LitigationPR-Aufträge meldepflichtig sein
sollten.
Einig waren sich die Justizministerin und die „Reporter ohne Grenzen
Österreich“-Vertreter darüber hinaus auch darin, dass die Stärkung der Freiheit
der journalistischen Berichterstattung sowie der Unabhängigkeit der Justiz für
die gute Weiterentwicklung der modernen österreichischen Gesellschaft von
enormer Bedeutung seien.

Fotocredits: BMJ/Antonio Nedić

Gerechtigkeit für den libanesischen Reporter, der vor sechs Monaten durch gezieltes israelisches Arilleriefeuer auf Journalist*innen getötet wurde

Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die internationale Gemeinschaft auf, Druck auszuüben, um sicherzustellen, dass Israel für den Tod des Reuters-Journalisten Issam Abdallah vor sechs Monaten im Südlibanon zur Rechenschaft gezogen wird. Sechs verschiedene Untersuchungen, darunter eine von RSF, sind zu dem Schluss gekommen, dass gezielter israelischer Beschuss ihn getötet und sechs weitere Reporter verletzt hat.

Der Angriff ereignete sich am 13. Oktober 2023 in Alma el-Shaab im Südlibanon, als ein israelischer Panzer zwei Granaten auf eine Gruppe von Journalist*innen abfeuerte. Reuters-Reporter Issam Abdallah wurde getötet, sechs seiner Kollegen, die ihn begleitet hatten, wurden verletzt – zwei weitere Reuters-Journalisten, Maher Nazeh und Thaer al-Sudani, Reporter von Agence France-Presse Christina Assi und Dylan Collins, sowie die Reporter von Al Jazeera Carmen Joukhadar und Elie Brakhya.

Alle sechs Untersuchungen, einschließlich der von RSF, kamen zu dem Schluss, dass die israelischen Granaten absichtlich auf den Ort abgefeuert wurden, an dem sich die Reporter befanden, obwohl sie eindeutig als Journalisten erkennbar waren. Dennoch wurde Israel bisher nicht zur Rechenschaft gezogen.

“Obwohl mehrere Untersuchungen eindeutig belegt haben, dass Issam Abdallah und seine Kollegen gezielt von israelischen Granaten angegriffen wurden, obwohl sie eindeutig als Journalisten identifiziert wurden, wurden die israelischen Streitkräfte bisher nicht für dieses Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Diese Straflosigkeit gefährdet Journalist*innen weltweit. Wir werden die Überlebenden dieses Angriffs, sowie die Familie und Kollegen von Issam Abdallah weiterhin bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit unterstützen.“Trotz verheerender und unbestreitbarer Untersuchungen, die zeigen, dass Issam Abdallah durch israelischen Beschuss getötet wurde, der auf ihn und sechs Kollegen abzielte, die alle eindeutig als Journalisten identifizierbar waren,

Jonathan DagherLeiter der RSF-Abteilung Naher Osten

“Ich möchte genau wissen, wer mir das angetan hat”, sagte die 28-jährige Assi, als sie am 20. März von einer RSF-Delegation in ihrer Wohnung im Libanon besucht wurde. Assi verbrachte mehrere Monate auf der Intensivstation, nachdem sie am 13. Oktober so schwer verletzt worden war, dass ihr ein Teil des Beins amputiert werden musste.” “Was aus allen Untersuchungen hervorgeht, ist, dass wir angegriffen wurden”, sagte sie. “Warum sollte ich im Rollstuhl sitzen, nicht arbeiten können, um das Geschehen zu verfolgen und meinen Job zu machen?”

Collins, Assis AFP-Kollege, wurde durch die zweite israelische Granate verletzt, die in seiner Nähe einschlug, als er versuchte, Assis Knie zu verbinden. “Sie haben eindeutig versucht, uns alle zu töten”, sagte er RSF aus dem AFP-Büro in Beirut. Abdallah war sein Freund, und er sprach über seine bemerkenswerte Persönlichkeit. “Issam war charismatisch”, sagte er. “Jeder, der ihn kannte, war sich einig. Er war derjenige, den man anrief, wenn man Probleme hatte. Er war auch der lustigste Typ in der Gruppe. Er war das Herz und die Seele der Presse hier im Libanon. Warum haben sie ihn getötet?”

Ermittlungen bestätigen gezieltes Vorgehen 

Reuters veröffentlichte die Ergebnisse der jüngsten Untersuchung des israelischen Beschusses letzten Monat. Die im Südlibanon ansässige Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL) berichtete, dass ein israelischer Panzer Abdallah tötete, indem er zwei 120-mm-Granaten auf eine Gruppe von “eindeutig identifizierbaren Journalisten” abfeuerte. Der Bericht, der RSF vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass die auf die Journalisten abgefeuerten Geschosse einen Verstoß gegen internationales Recht darstellen. Die IDF (=israelische Verteidigungsstreitkräfte) erklärte gegenüber Reuters, die israelische Armee habe mit Artilleriefeuer reagiert, um eine Bedrohung zu beseitigen.

Foto von Charbel Karam auf Unsplash