Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024

Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024

Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024

EU

Die EU-Kommission präsentiert seit 2020 einmal im Jahr einen Bericht über den Zustand von Justiz, Medien und Rechtsstaat für jedes der 27 Länder in der EU. Er dient hauptsächlich als Diskussionsgrundlage für EU-Parlament und EU-Staaten, und enthält auch konkrete Empfehlungen an die Regierungen.

Mehrere Mitgliedstaaten haben konkrete Schritte unternommen, um für mehr Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten und ein verbessertes Arbeitsumfeld zu sorgen – auch im Lichte von Initiativen der Kommission wie dem bereits in Kraft getretenen Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA), das ab August 2025 uneingeschränkt anwendbar sein wird, der Anti-SLAPP-Richtlinie und -Empfehlung sowie der Empfehlung zur Sicherheit von Journalisten.

Darüber hinaus wurden die Aufgaben und Zuständigkeiten mehrerer nationaler Medienregulierungsbehörden ausgeweitet, auch aufgrund des Inkrafttretens des EU-Gesetzes über digitale Dienste. Zudem wurden Online-Register über Eigentumsverhältnisse neu eingerichtet oder ausgebaut.

In mehreren Mitgliedstaaten bestehen jedoch nach wie vor Bedenken in Bezug auf die unabhängige Leitung oder Finanzstabilität öffentlich-rechtlicher Medienanstalten, die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, das Recht auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten und die transparente und gerechte Vergabe staatlicher Werbung. Besonders schlecht schneiden hier die Slowakei sowie Italien ab.

  In Bezug auf Österreich kam der Bericht zu folgenden Ergebnissen

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regulierungsbehörden

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in der österreichischen Verfassung verankert. Ab September 2025 tritt endlich das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft, das den Zugang zu amtlichen Informationen deutlich verbessert. Es sieht erstmals die aktive Veröffentlichung solcher Informationen sowie ein subjektives Recht auf Zugang zu diesen Informationen vor. Zudem wird dieses Recht durch eine neue verfassungsrechtliche Bestimmung garantiert. Österreich ist bislang einziges EU-Land ohne ein solches Gesetz.

Die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) fungiert als unabhängige Regulierungsbehörde für audiovisuelle Mediendienste, wobei die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) ihr Verwaltungsorgan darstellt. KommAustria arbeitet weiterhin unabhängig, und ihre finanzielle Ausstattung sowie personelle Ressourcen wurden aufgestockt, um neue Aufgaben im Zusammenhang mit der Bekämpfung terroristischer Online-Inhalte und der Umsetzung des Gesetzes über digitale Dienste wahrzunehmen.

Finanzielle Unterstützung und Kritik

Die Mittel für den Österreichischen Presserat, die Selbstregulierungseinrichtung für Printmedien, wurden per Gesetz von 150.000 EUR auf 230.000 EUR erhöht. Dies soll in den nächsten drei bis vier Jahren für finanzielle Entlastung sorgen, allerdings ist die Höhe der Mittel nicht an die Inflationsrate gekoppelt.

Im November 2023 wurde das neue Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz sieht eine Aufstockung der jährlichen Mittel für Print- und Online-Medien auf 20 Mio. EUR vor, basierend auf der Zahl der Journalist*innen und besonderen Kriterien wie der regionalen Berichterstattung. Die ersten Mittel wurden im Mai 2024 ausgezahlt.

Trotz dieser Fortschritte sorgt die Einrichtung einer staatseigenen Journalismusschule weiterhin für Kritik. Insbesondere der Media Hub Austria, der Schulungsprogramme für Journalist*innen anbietet und Mediengründer*innen unterstützt, steht im Mittelpunkt der Bedenken. Kritiker*innen befürchten einen möglichen staatlichen Einfluss auf das neue Ausbildungs- und Onlinemedium sowie eine Wettbewerbsverzerrung auf den Märkten für Journalismusschulen und Zeitungen. Mit diesem wurde die älteste österreichische Zeitung der Welt, die Wiener Zeitung, die Qualitätsjournalismus auf höchstem Niveau geboten hatte, in ein Medium umgewandelt, das auf Aus- und Weiterbildung ausgerichtet ist und hauptsächlich online erscheint.

Transparenz und Eigentumsverhältnisse

Der Rahmen für die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich blieb unverändert, und es besteht laut dem Media Pluralism Monitor (MPM) 2024 ein mittleres Risiko für die Transparenz und ein hohes Risiko in Bezug auf die Pluralität der Medienanbieter. Die konkreten Auswirkungen des neuen Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz bei der Vergabe von staatlichen Werbeaufträgen müssen sich erst noch zeigen. Im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2023 wurde Österreich empfohlen, den Rahmen für die Vergabe staatlicher Werbeaufträge zu reformieren, um die Fairness bei der Verteilung zu erhöhen. Im Jahr 2023 gaben die Behörden insgesamt 193 Mio. EUR für Werbung aus, wobei 25,8 Mio. EUR an eine Mediengruppe gingen, die einen Publikumsanteil von rund 36 % erreicht.

Der Rechnungshof stellte fest, dass die Bundesregierung zwischen 2019 und 2021 die Zuteilungsregelungen für staatliche Werbung zugunsten regierungsnaher Medien geändert hat. Es bleibt abzuwarten, ob das neue Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz, das im April 2023 verabschiedet wurde, solche Praktiken beeinflussen wird. Dieses Gesetz erweitert den Anwendungsbereich staatlicher Werbeaufträge, die öffentlich bekannt gemacht werden müssen, und verlangt bei Überschreiten bestimmter Beträge eine detaillierte Beschreibung der Zielgruppe und eine Analyse der Auswirkungen der Werbekampagne.

 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Der Verfassungsgerichtshof erklärte im Oktober 2023 die Vorschriften über die Leitungsorgane des öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieters ORF für verfassungswidrig, da die Bundesregierung starken Einfluss auf die Zusammensetzung hat. Der Gesetzgeber muss bis zum 31. März 2025 ein neues Gesetz erlassen. Es wird erwartet, dass das neue Gesetz die politische Einflussnahme auf den ORF reduzieren und mehr Fachleute in den Leitungsorganen vorsehen wird. Seit Januar 2024 wird der ORF hauptsächlich durch eine Haushaltsabgabe finanziert, die niedriger ist als die frühere GIS-Gebühr und an den Besitz eines Fernseh- oder Radiogeräts gekoppelt war.

Informationsfreiheit

Die Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) im Februar 2024 stellt einen wichtigen Fortschritt dar. Das Gesetz, das ab September 2025 gilt, sieht ein subjektives Recht auf Information gegenüber Behörden und staatseigenen Unternehmen vor und ist auch in der Verfassung verankert. Es besteht aus zwei Säulen: einer Pflicht zur aktiven Veröffentlichung von Informationen und einem Recht, Informationen zu ersuchen. Die Frist für die Beantwortung eines Ersuchens wurde von acht auf vier Wochen verkürzt. Reaktionen auf das Gesetz reichen von sehr positiv bis skeptisch, insbesondere aufgrund der Ausnahmen und des Fehlens einer unabhängigen Stelle zur Beratung der Bürger*innen.

Sicherheit von Journalist*innen

Die Sicherheit von Journalist*innen bleibt ein herausforderndes Thema in Österreich. Das allgemeine Klima ist weiterhin angespannt, sowohl online als auch offline. Es wurden tätliche Übergriffe auf Journalisten auf öffentlichen Veranstaltungen gemeldet. Die Regierung plant, die Ausbildung und Sensibilisierung zu verbessern und an einer unabhängigen rechtlichen und psychologischen Beratung für Journalist*innen zu arbeiten. Auch die Erkennung von SLAPP-Klagen (strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung) und der Umgang mit Datenschutzvorschriften bleiben zentrale Themen. Ein im Mai 2024 vorgelegter Gesetzentwurf ermöglicht Medienunternehmen, Auskunftsersuchen abzulehnen, wenn dies zum Schutz des Redaktionsgeheimnisses erforderlich und verhältnismäßig ist. Das Gesetz trat am 1. Juli 2024 in Kraft, jedoch bleibt die Frage, ob dies ausreichend ist, um Medienunternehmen vor unzulässigen Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten zu schützen.

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich fordert die österreichische Regierung auf, die genannten Probleme entschlossen anzugehen und die Rahmenbedingungen für Medien- und Pressefreiheit nachhaltig zu verbessern. Nur durch kontinuierliche Anstrengungen können die unabhängige Berichterstattung und der freie Zugang zu Informationen gewährleistet werden.

Hier gelangen Sie zum gesamten Bericht: https://commission.europa.eu/publications/2024-rule-law-report-communication-and-country-chapters_en?prefLang=de

credits: Foto von Christian Lue auf Unsplash