Zur Lage der Pressefreiheit in China: “Die Flamme ist endgültig erloschen”

Zur Lage der Pressefreiheit in China: “Die Flamme ist endgültig erloschen”

Bilanz von Reporter ohne Grenzen ein Jahr nach den Olympischen Spiele
 
Ein Jahr nach der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking sind die Hoffnungen auf mehr Pressefreiheit in China zerstoben.

Dieses Fazit zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) in einem am Freitag veröffentlichten kurzen Bericht zur aktuellen Lage der Medien- und Meinungsfreiheit in der Volksrepublik. “Die Öffnung, die von den Organisatoren der Spiele und vom Internationalen Olympischen Komitee so sehr angepriesen wurde, war nichts als eine Illusion. Die Flamme ist endgültig erloschen”, kritisiert ROG.

Kleine Fortschritte hin zu einer Liberalisierung seien längst wieder rückgängig gemacht worden, so die Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit. Allein die ausländischen Journalisten profitierten noch von einer kleinen Erweiterung der Spielräume für die Berichterstattung, zu denen sich Peking als Zugeständnis an die Olympischen Spiele habe bewegen lassen. Die Repressionen gegen einheimische Journalisten, Blogger, Menschenrechtsaktivisten und kritische Bürger haben dagegen genau wie Online-Zensur wieder zugenommen, heißt es in der ROG-Bilanz.

“Dutzende von Dissidenten und Bürger sind immer noch im Gefängnis, weil sie in einer Zeit, als sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Peking richtete, ihre Meinung zu den Spielen frei geäußert haben oder die Regierung kritisierten”, so ROG. Ihr Schicksal entlarve die Versprechen chinesischer Regierungsvertreter als zynische Reden während der Olympischen Spiele. ROG hat eine Petition zur Freilassung dieser “olympischen Häftlinge” gestartet.


Unter den vor und während der Spiele Festgenommen sind unter anderem der Initiator der Kampagne “Wir wollen Menschenrechte, nicht Olympische Spiele”, Yang Chunlin, der Filmemacher Dhondup Wangchen sowie die chinesische Bürgerin Huang Liuhong.

Dhondup Wangchen wurde im März 2008 nach Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über Tibet festgenommen. Huang Liuhong aus der südwestlichen Provinz Guangxi besuchte Peking während der Paralympics im September 2008, um gegen Beschlagnahmungen durch lokale Beamte zu protestieren. Sie wurde festgenommen, nachdem sie einem US-amerikanischen Journalisten ein Interview gegeben hatte. Nach 314 Tagen im Gefängnis könnte ihr weiterhin eine einjährige Gefängnisstrafe wegen “Vandalismus” bevorstehen.

Selbst die neuen Freiheiten, die Peking ausländischen Korrespondenten vor den Spielen eingeräumt hatte – das Recht, sich im Land frei zu bewegen und die Interviewpartner frei zu wählen – werden in der Praxis immer wieder eingeschränkt. Sie gelten auch nicht für Tibet, wo Dutzende von ausländischen Journalisten während der Aufstände in der Region im März 2008 sowie im Frühjahr 2009, zum Jahrestag der Unruhen, bei ihrer Arbeit behindert wurden.

Die Lektion, die China aus Peking 2008 zu ziehen scheint, ist offenbar, dass die Aktivitäten der Propaganda-Abteilung verstärkt wurden. Es wurden noch mehr Mittel  bereit gestellt, um positive Nachrichten über China im Ausland zu verbreiten. So wurden mehrere Zehnmillionen Euro in ein internationales Programm des staatlichen Fernsehsenders CCTV investiert.

Auch die Internetzensur hat in den vergangenen Monaten wieder angezogen: Mindestens zehn Blogger wurden seit dem 8. August 2008 wegen ihrer Veröffentlichungen im Internet festgenommen. Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 50 Blogger in chinesischen Gefängnissen.

Während die Ankunft der ausländischen Journalisten zu Beginn der Spiele zunächst zu einer Lockerung der Online-Überwachung führte, wurden bereits in den Monaten nach dem Sportereignis alle vorher frei geschalteten Webseiten wieder gesperrt. So ist der Zugang zum Videoportal You Tube seit März 2009 blockiert. Auch die Sperrung uigurisch-sprachiger Webseiten während der Unruhen in der Provinz Xinjiang im Juli ist noch nicht wieder aufgehoben worden.

Die ausführliche ROG-Bilanz zur Lage der Pressefreiheit in China (auf Englisch) lesen Sie hier.

Hier können Sie die ROG-Petition an die chinesischen Behörden zur Freilassung der “olympischen Häftlinge” unterzeichnen.