Vor uns die Sintflut: Die FPÖ schlägt mit Medien- und Intellektuellenhetze um sich

Vor uns die Sintflut: Die FPÖ schlägt mit Medien- und Intellektuellenhetze um sich

Bisher war vornehmlich der ORF im FPÖ-Visier, nun geht es auch Schriftstellern an den Kragen. Ein Blogbeitrag von Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich

Wien – Medien- und Intellektuellenfeindlichkeit sind ein wesentlicher Teil antidemokratischer Ideologien. Die Junior-Regierungspartei FPÖ hat sich nun dieser ganz offen und ungeniert verschrieben. Bisher war vornehmlich der ORF im FPÖ-Visier, nun geht es auch Schriftstellern an den Kragen. So geschehen jüngst in Kärnten. Ziel der dortigen FPÖ-Attacke war der Schriftsteller Josef Winkler.

Winkler hatte in seiner Rede anlässlich des Festaktes “500 Jahre Klagenfurt” die FPÖ sowie deren früheres Idol Jörg Haider rhetorisch in die Mangel genommen. Nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal. Winklers FPÖ-Analyse: “Wenn vor uns die Sintflut ist, dann drehen wir uns einfach um, dann ist hinter uns die Sintflut!” Das scheint die Devise bestimmter Herren von der FPÖ zu sein.” Dem verstorbenen FPÖ-Politiker Haider wünscht er, dass dessen Urne in einer bewachten Gefängniszelle aufbewahrt werde, damit J. H. nicht wieder wie ein Phönix aus der Asche aufsteigen könne. Starke Worte, die die Kärntner FPÖ zu einer Schnellschussreaktion veranlassten: Vor den Richter mit dem Hassprediger – wegen Verhetzung einer Gruppe, der FPÖ.

Sind wir also wieder so weit. Die schreibende Zunft soll wieder vor den Kadi gezerrt werden, vielleicht geht sich ja sogar eine Haftstrafe aus. ORF-Korrespondentenbüros könnten geschlossen oder neu besetzt werden, sofern über Gesinnungsfreunde der FPÖ zwar objektiv, aber ideologisch nicht linientreu berichtet wird. So anlässlich Orbáns neuerlichen Wahlsieges. FPÖ-Urgestein Norbert Steger, beharrlicher Kandidat für den Vorsitz des ORF-Stiftungsrats, wäre geneigt, nicht nur Budapest neu zu besetzen, er droht, gegebenenfalls ein Drittel aller ORF-Korrespondentenposten einsparen zu wollen, wenn nicht – salopp gesagt – ordentlich berichtet wird.

Van der Bellen für ORF-Gebühren

Der Bundespräsident ist ob all dessen besorgt. In der jüngsten Ausgabe des “Profil” stellt er in diesem Zusammenhang die Frage: “Wollen wir Provinz sein, oder wollen wir wissen, was in Europa und in der Welt los ist?”Aus seiner Sicht sei das keine Angelegenheit zwischen Parteien und dem ORF, “das geht uns alle an und sollte uns alle besorgt machen”. Sollte der ORF künftig nicht mehr über Gebühren, sondern über das Budget finanziert werden, sei dies das Ende der journalistischen Freiheit des ORF. Anders gesagt: Die Hand, die einen füttert, darf man nicht beißen.

Nicht nur Bundespräsident Van der Bellen ist besorgt, auch zunehmend mehr nichtösterreichische Beobachter. Selbst in der OSZE ist eine neue Sensibilität in Sachen Sicherheit für Journalisten wahrnehmbar. Anlass waren zunächst die Morde an der investigativen Journalistin Daphne Galizia in Malta und an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak in der Slowakei. 15 Staaten beziehungsweise deren diplomatische Repräsentanten bei der OSZE bildeten die Gruppe “Freunde der Sicherheit für Journalisten”. Auch aktiv wolle man den Schutz für Journalisten fördern und die Bestrafung der Mörder fordern. Großen Anklang findet auch die Benefizveranstaltung “Wir spielen für Frauen”, zu der Reporter ohne Grenzen Österreich einlädt.

Veranstaltung für Familien von Inhaftierten

Es ist dies eine zusätzliche Möglichkeit, zur Sicherheit von Journalisten beizutragen. Jeder, der sich in Gefahr begibt – in autokratischen Staaten auch durch nicht korrumpierbare Berichterstattung –, inhaftiert, wenn nicht gar ermordet zu werden, sorgt sich natürlich um die Familie. Oft stehen die Angehörigen ohne Mittel da, mancherorts werden sie sogar auch als Outcasts behandelt. Deshalb ist unser Motto: “Wir spielen für Frauen”.

Wann und wo: Im Volkstheater am 6. Mai um 19.30 Uhr. Je mehr kommen und je mehr Karten kaufen, umso mehr können wir den Frauen und Kindern inhaftierter oder exilierter Journalisten zukommen lassen. Das ist der Sinn der Veranstaltung. Auch sie sind, wie gesagt, Opfer einer besorgniserregenden Medienpolitik – nicht nur irgendwo auf der Welt, sondern inzwischen auch schon wieder in Europa.

Rubina Möhring ist Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Sie ist Autorin von “Mundtot. Der gefährliche Kampf um die Pressefreiheit”, das im Czernin-Verlag erscheinen wird.

 

Blog zuerst erschienen im Standard, 30.04.2018