Sparzwang schlägt Demokratie – Griechenland schließt öffentlich-rechtliche Sender

Sparzwang schlägt Demokratie – Griechenland schließt öffentlich-rechtliche Sender

Die griechische Regierung hat seit Dienstag Nacht die öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT nach 75 Jahren plötzlich geschlossen – als Einsparungsmaßnahme. Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über diesen Entschluss und fordert eine sofortige Rücknahme dieser Entscheidung, die das Ende für drei nationale TV-Sender, ein Satellitenprogramm, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme und 19 regionale Radiosender bedeutet.

Zwar kündigte ein Regierungssprecher an, nach einer Neustrukturierung einen kleineren TV- und Radiosender mit nur etwa einem Drittel der früheren Mitarbeiter zu eröffnen, doch detaillierte Pläne gibt es dafür bisher nicht.

“Wir sind fassungslos und bestürzt über diese plötzliche Entscheidung”, so ROG-Generalsekretär Christophe Deloire, der die Schließung als “grausam” bezeichnete: “Glaubt die griechische Regierung wirklich, sie könne die Demokratie einsparen?”


Griechenlands Journalisten reagierten Mittwochfrüh mit einem landesweiten Streik. Seit 6 Uhr morgens Ortszeit gibt es keine Nachrichten mehr über TV und Radio, Donnerstagfrüh wird es keine Zeitung geben. Der Präsident der Gewerkschaft der Fernsehmitarbeiter, Panagiotis Kalfagianis, bezeichnete die Schließung als illegal. Dimitris Trimis, Präsident des Verbandes der Athener Zeitungsredakteure (ESIEA), kündigte an, bis zu einer Rücknahme der Entscheidung streiken zu wollen. Auch die Privatsender unterbrachen ihr Programm aus Protest für sechs Stunden.

“Mit der Schließung des ERT zeigt die griechische Regierung ganz klar ihre Geringschätzung für Meinungs- und Informationsfreiheit, wie sie im Artikel 19 der Menschenrechte stehen”, so ROG-Generalsekretär Deloire. Für ein Land, das als Geburtsstätte der Demokratie gelte, sei das eine unfassbare Entscheidung.

Medienfreiheit befindet sich in Griechenland bereits seit längerem in einer Abwärtsspirale.Seit 2011 hat die Finanzkrise viele Medien zum Erliegen gebracht, die Journalisten suchen Auswege im Internet, wo sie zwar nicht bezahlt werden, aber “zumindest das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun, was in den Printmedien nicht mehr möglich ist”, wie ein ehemaliger Journalist einer führenden Tageszeitung in einem Interview mit Reporter ohne Grenzen 2011 erklärte. Längst sind Nachrichtenportale im Internet zur Hauptinformationsquelle für viele Griechen geworden.

Die Journalisten müssen zunehmend auch mit gerichtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie beispielsweise in Interessenskonflikte mit bestimmten Unternehmen geraten. Zu spüren bekommt das nicht nur der Journalist Kostas Vaxevanis der Wochenzeitung “Hot Doc”, der sich seit dem 10.Juni für die Veröffentlichung der “Lagarde Liste” verdächtiger Steuerhinterzieher vor Gericht verantworten muss.

Immer wieder bekommen griechische Journalisten auch die Gewalt von Neonazis zu spüren. Auf der anderen Seite wurden Berichterstatter auf Demonstrationen sowohl von linksextremen Anarchisten als auch von Sicherheitskräften attackiert.

Griechenland steht auf Platz 84 von 179 Ländern auf der Weltrangliste von Reporter ohne Grenzen. Seit 2012 ist es damit 14 Plätze nach hinten gefallen.