Russland: Neue Gesetzgebung gefährdet kleine Fernsehsender und Freiheit im Internet

Russland: Neue Gesetzgebung gefährdet kleine Fernsehsender und Freiheit im Internet

Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das jüngste Durchpeitschen einer neuen Gesetzgebung, die sowohl die Existenz vieler russischer Fernsehsender gefährdet als auch das Internet in stärkerem Ausmaß als bisher kontrolliert.
Am 8. Juli unterzeichnete Präsident Putin eine Reihe neuer Gesetze, nachdem diese im Schnelldurchgang von der Duma durchgewunken worden waren.
„Diese Gesetze wurden ohne Diskussion und unter Missachtung der offiziellen Prozeduren und der Verantwortung, welche ein Parlament für die Gesetzgebung haben sollte, von der Duma durchgewunken”, kritisiert Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. „Die neuen Gesetze sind ein grober Angriff auf den Medienpluralismus, die Freiheit im Internet und das Recht auf Meinungsfreiheit – ein Trend, der sich in den letzten zwei Jahren bereits abgezeichnet hat und als Kampf um die Kontrolle über die Berichterstattung im gegenwärtigen Konflikt mit der Ukraine eine zentrale Rolle spielt”, so Möhring weiter.

Bezahlfernsehen gefährdet
Eines der neuen Gesetze verbietet Werbung im Bezahlfernsehen – eine Maßnahme, die nach Angaben von Quellen aus der russischen TV-Industrie die Existenz der Mehrheit der über 300 betroffenen TV-Kanäle gefährdet.
Als offizielle Begründung für diese Maßnahme wird angeführt, einen Ausgleich schaffen zu wollen zwischen den freien Sendern und dem Bezahlfernsehen. Doch werden die führenden freien Sender in Russland nicht nur in großem Ausmaß vom Staat unterstützt – sie besitzen auch bereits 97 Prozent des Werbemarktes.
Besonders profitieren von dem Gesetz werden Medien wie die „Gazprom-Media” und andere russische Mediengiganten. Die führenden freien TV-Sender wie „Rossiya”, „Pervy Kanal” oder „NTV” stehen unter der Kontrolle des Kreml. Mit dem Wegfall der Bezahlsender könnte nun auch der letzte Rest des Medienpluralismus im TV-Bereich in Russland fallen: die als unabhängig geltende TV-Station „Doshd TV” beispielsweise sieht sich, wie schon einmal in der jüngster Vergangenheit, in seiner Existenz bedroht. Gerade im derzeitigen Konflikt mit der Ukraine haben solche Sender eine kritischere und informativere Berichterstattung geliefert als die großen russischen TV-Sender.

Internetkontrolle verstärkt
Auch die Kontrolle über Äußerungen im Internet könnten demnächst noch härter ausfallen als bisher. Sogenannte „öffentliche Aufrufe, welche die territoriale Integrität der Russischen Föderation verletzen” sind bereits seit Dezember 2013 als Verbrechen eingestuft. Eine Gesetzesänderung, die am 4.Juli genehmigt wurde, für die eine offizielle Anerkennung durch den Föderationsrat bisher aber noch aussteht, sieht nun bis zu vier Jahren Haft für dieses „Vergehen” vor – etwa, wenn jemand die Annektierung der Krim öffentlich kritisieren würde. Bis zu fünf Jahren kann die Haft betragen, wenn eine solche Aussage über das Internet verbreitet wurde.
Auch ein neues Tool für die Erkennung sogenannter „extremistischer” Webseiten wurde kürzlich vom Vorsitzenden der Medienregulierungsbehörde, Roskomnadzor, entwickelt. Durch Keywords lassen sich die Webseiten automatisch nach unliebsamen Inhalten scannen.
Ein weiteres, eilig durchgewunkenes Gesetz verpflichtet alle Unternehmen, die Daten sammeln, archivieren oder bearbeiten, dies ab September 2016 nur noch auf russischen Servern zu tun. Dies gilt als weiter Maßnahme der russischen Regierung, ihre Kontrolle über die Bürger auszuweiten.
Alle Details zu den neuen Gesetzen finden Sie hier.
Russland steht auf Platz von 148 von 180 Ländern auf der Weltrangliste von Reporter ohne Grenzen.