Religion versus Menschenrechte

Religion versus Menschenrechte

Blog von Rubina Möhring
War und ist die Wiener Abdullahrei nur eine europäische Provinzposse?
Wien – Nun ist zumindest hierzulande die Katze aus dem Sack: Religiöser Dialog und Menschenrechte sind zweierlei Dinge, die nicht im Geringsten etwas miteinander zu tun haben. So sprach’s der ÖVP-Obmann im Zusammenhang mit dem Diskurs rund um das in bester Lage am Wiener Ring angesiedelte König Abdullah-Zentrum für religiösen Dialog. Kleine Frage am Rande: Was ist Inhalt religiöser Dialoge? Primär wirtschaftliche Interessen oder primär Humanismus, Menschenrechte inklusive?
Die Welt ist ungerecht. Karnickel wissen eine internationale Lobby hinter sich, die lauthals protestiert, wenn aus deren Sicht der Papst diese Tierchen fälschlich zitiert, um Menschen von unbedachtem, extremen Fortpflanzungstrieb abzuraten. Es geht um das Tier-Recht auf freie Vermehrung. Religiöser Dialog hin oder her, dieses Recht habe auch der Papst zu respektieren, so der Standpunkt der weltweiten Karnickel-Fraktion.

Nun erreicht den Papst eine nicht minder verstörende Message aus dem vorwiegend katholisch-konservativem Lager Österreichs: Religiöser Dialog und Menschenrechte sind zweierlei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Anlass ist das politische Gezerre um das KAICIID, das “King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for interreligious and intercultural Dialogue”. Ein langer Titel einer sog. Regierungsorganisation mit offenbar schwierig zu verstehendem Inhalt.
Mission dieses Zentrums
Per Eigendefinition auf der Website liegt die Mission dieses Zentrums auch in der Wahrung der Menschenrechte, der Freiheit der Gedanken, der persönlichen Überzeugung und der Religion. Damit ist doch eh alles klar. Wozu also noch ein KAICIID-Wort verlieren zu dem Folterurteil, das in Saudi-Arabien über den Blogger Raif Badawi verhängt wurde. Badawi war verurteilt worden, weil er auf seinem Online-Forum ” Liberal Saudi Network” wiederholt die Religionspolizei wegen ihrer strengen Auslegung des Islam und ihrer Härte kritisiert hatte. Die Strafe: Zehn Jahre Haft und öffentliche Hinrichtung mit 1000 Peitschenhieben. Tod auf Raten. 50 Peitschenhiebe hat Raif Badawi am 9. Januar über sich ergehen lassen müssen, seitdem ist sein Gesundheitszustand besorgniserregend.
Raif Badawis Schicksal lässt die Herzen der Saudi-arabischen Verantwortlichen kalt. Beim Trauermarsch für das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo allerdings – zwei Tage nach der ersten Auspeitschungstranche – sind in Paris Saudi-arabische Repräsentanten solidarisch für Meinungs- und Medienfreiheit mitmarschiert.
Vielleicht jedoch bleibt Raif Badawi doch noch vor weiterer Folter verschont. Nicht an jedem Freitag werden ja in Saudi-Arabien Todesurteile vollstreckt, wie wir dank unserer früheren Justizministerin wissen. Die war bis zu diesem Sager wohlbestallte, stellvertretende Generalsekretärin des interreligiösen Abdullah-Zentrums – nun wird sie wieder als Richterin ihren Rechtsmeinungen nachgehen.
War und ist die Wiener Abdullahrei nur eine europäische Provinzposse, ein Sturm im Wasserglas aufgrund mangelnder Kommunikation, aufgrund einer ganz speziellen Dialogunfähigkeit?
Akademikerball
Es wäre nicht die einzige demokratiepolitische Baustelle dieser Art. Der sogenannte Akademikerball – einst Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) genannt -, walzt am Freitag freiheitlich in der Hofburg. “Hier trifft sich” – so verspricht die Eigenwerbung – “die rechte Szene Europas. Hier ist noch der Geist vergangener Jahrhunderte lebendig. Hier gestaltet sich bei Champagner und Walzerklängen das Schicksal eine Kontinents, der danach schreit, künftig von rechtspopulistischen Parteien geführt zu werden.”
Es darf protestiert werden gegen den Geist heutiger extremer Rechtsnationalisten und ewig vorgestriger Zeitgenossen. Nicht jedoch von allen. Die No-WKR – Gruppierung hat Demonstrationsverbot, weil sie sich im vergangenen Jahr nicht ordentlich genug benommen hatte. Heuer werden 6000 Demonstranten erwartet – 2500 Polizisten harren der Dinge. Die Bezirksvorsteherin des 1. Bezirkes hätte sich auch noch zusätzlich den Einsatz des Heeres gewünscht. Krieg-Spielen und Gewalt rund um den rechten Faschingsball beflügelt offenbar die Phantasie mancher politischer Köpfe.
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
“Die Polizei kommt immer dann zum Einsatz, wenn die Politik versagt hat”, wenn es keinen Dialog seitens der Politik gibt, keine Deeskalation und keine Suche nach Lösungsmöglichkeiten. So analysierte Reinhard Kreissl, der wissenschaftliche Leiter des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie, die Situation rund um den nichtakademischen Akademikerball , dieser Tage im ORF-Morgenjournal des Radiosenders Ö1. Auch bei der Errichtung von No-go-areas in der Wiener Innenstadt werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Hinzuzufügen ist, dass das Demonstrationsverbot rechtlich gar nicht abgesichert ist. Und damit kommen auch hier wieder die Menschenrechte ins Spiel.
Viel antidemokratisches Getöse also rund um befrackte Rechtspopulisten. Fest steht schon jetzt, dass diese polizeiliche Sicherheitsaktion in der Wiener Innenstadt zumindest 1,5 Millionen Euro kosten wird. Sehr viel Geld, das in einer um Dialog bemühten Integrationspolitik nicht minder gut investiert gewesen wäre. (Rubina Möhring, derStandard.at, 30.1.2015)