Rangliste der Pressefreiheit 2011

Rangliste der Pressefreiheit 2011

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Aufstände in den arabischen Ländern verändern Rangliste stark / Wachsende Gegensätze in Europa

Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen, zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG) in diesem Jahr zum 10. Mal herausgibt. Sie spiegelt die turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten vor allem in der arabischen Welt gravierend veränderten. Die Gegensätze zwischen den europäischen Staaten verschärften sich weiter, am wenigsten frei sind die Medien in Belarus und Aserbaidschan. Die USA fielen ab, nachdem die Polizei die Berichterstattung über die Occupy-Proteste behinderte.

Index 2011

An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder, am Ende Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstmals besetzen auch afrikanische Länder vordere Plätze.

Die ROG-Rangliste der Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der Medien in 178 Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011.


Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen, zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG) in diesem Jahr zum 10. Mal herausgibt. Die Liste spiegelt die turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten zum Teil gravierend veränderten. Weltweit berichteten Journalisten über Aufstände, autoritäre Regime antworteten mit systematischer Gewalt. „Es sollten nicht nur Proteste im Keim erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden”, so ROG.

In vielen Ländern wurden 2011 deutlich mehr Journalisten verhaftet, entführt oder geschlagen als in den vergangenen Jahren. Für totalitäre Regime wurde die Kontrolle der Medien zur Überlebensfrage. Ein Schwerpunkt der Gewalt waren die Straßenkämpfe in den arabischen Ländern. Immer stärker rückten dort auch Blogger und Bürgerjournalisten ins Visier der Behörden. Sie füllten Lücken, wo konventionelle Medien zensiert und ausländische Berichterstatter nicht zugelassen wurden. Die weltweiten Unruhen nur negativ zu bewerten, greift nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen jedoch zu kurz: „Wenn Auseinandersetzungen langfristig zu mehr Demokratie führen, kann das auch positive Folgen für die Pressefreiheit haben”, so ROG.

AUFSTÄNDE IN DEN ARABISCHEN LÄNDERN

Zu welch unterschiedlichen Ergebnissen die arabischen Aufstände geführt haben, zeigen exemplarisch Tunesien und Bahrein, die auf der Rangliste weit voneinander entfernt stehen. Tunesien, wo im Januar Diktator Ben Ali gestürzt wurde, verbesserte sich um 30 Positionen auf Platz 134, obwohl auch das neue Regime eine unabhängige Presse nicht bedingungslos akzeptiert. Bahrein dagegen, wo friedliche Proteste brutal niedergeschlagen und zahlreiche Menschenrechtler verhaftet wurden, fiel um 29 Positionen auf Platz 173.

Während Libyen (Platz 154) sich von Muammar al-Gaddafi befreite, erlag Jemen (Platz 171) der Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Ali Saleh. Die Zukunft beider Länder ist ebenso ungewiss wie die Rolle, die Journalisten dort im weiteren politischen Leben spielen werden. Das Gleiche gilt für Ägypten, das um 39 Positionen auf Platz 166 fiel. Der seit Februar regierende Militärrat verschärfte die bestehenden Notstandsgesetze, bei Protesten im Februar sowie im November und Dezember gingen Sicherheitskräfte mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Journalisten vor. Syrien, wo Zensur, Überwachung und willkürliche Gewalt die Arbeit von Journalisten nahezu unmöglich machen, fiel auf Platz 176.

ANHALTENDE GEWALT GEGEN JOURNALISTEN

In vielen Ländern scheint eine Kultur der Gewalt gegen die Medien inzwischen tief verwurzelt zu sein. Solange die Verantwortlichen dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird sich daran wenig ändern. Dies gilt für Mexiko (Platz 149) und Honduras (Platz 135) genau wie für Pakistan (Platz 151), wo im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge die meisten Journalisten weltweit getötet wurden. In Somalia (Platz 164) ist die Situation im seit 20 Jahren währenden Bürgerkrieg für Journalisten denkbar schwierig. Auch im Iran (Platz 175) werden Medienschaffende seit Jahren verfolgt und unterdrückt. Irak fiel wegen mehrerer Mordfälle um 22 Positionen auf Platz 152.

EUROPA

Die Gegensätze zwischen den europäischen Staaten haben sich 2011 weiter verschärft.

Während Finnland, Norwegen und die Niederlande seit Jahren vorderste Plätze in der Rangliste einnehmen, fielen Bulgarien (Platz 80) und Italien (Platz 61) deutlich zurück und gehören mit Griechenland (Platz 70) zu den Schlusslichtern der EU. In Bulgarien wurden Journalisten, die über Korruption und organisierte Kriminalität berichteten, bedroht und gezielt angegriffen. In Griechenland arbeiteten Reporter und Fotografen während der Wirtschaftsproteste teilweise unter kriegsähnlichen Bedingungen.

Österreich steht in diesem Jahr auf Platz fünf und somit einen Platz hinter den Niederlanden, gefolgt von Island auf Platz 6.

Grund für Jubel sieht Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, jedoch nicht: „Wir haben für den diesjährigen Index unser Beobachtungs- wie auch unser Bewertungssystem geändert. Die Daten können daher nicht mit dem vorigen Jahr verglichen werden.”

In Österreich, das im vergangen Jahr auf Platz 7 der Rangliste zu finden war, habe sich für die Pressefreiheit nichts wesentliches verändert, so Möhring. Für das kommende Jahr zeichnen sich jedoch einige neue Tendenzen im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit ab.

“Das Jahr 2011 stand für uns positiv wie negativ im Zeichen des ORF. Als positiv betrachten wir den neuen Spartenkanal ORF III. Die versuchte politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen im ORF ist andererseits ein Thema, das sicherlich im nächsten Ranking seinen Einschlag finden wird.”

Ungarn rutschte von Platz 23 auf Platz 40 ab, weil die Regierung durch neue Gesetze übermäßigen Einfluss auf die Arbeit der Medien nimmt. Dass andere EU-Staaten dies lange Zeit kaum kritisierten, hat die Glaubwürdigkeit der Union als Vorbild in Sachen Pressefreiheit beschädigt. Großbritannien verschlechterte sich vor allem wegen der Abhöraffäre bei News of the World von Platz 19 auf 28. In der Türkei wurden Journalisten durch Überwachung und Verhaftungen unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung massiv eingeschüchtert, wodurch das Land auf Platz 148 abrutschte.

Der am schlechtesten platzierte Staat in Osteuropa ist Belarus (Platz 168), wo Alexander Lukaschenko nach der brutalen Niederschlagung von Demonstrationen im Dezember 2010 über 100 Blogger und Journalisten verhaften ließ. Auch in Aserbaidschan (Platz 162), das 2012 Gastgeber des Eurovision Song Contest ist, verschärfte die Staatsmacht nach Straßenprotesten im Frühjahr die Überwachung der Medien und des Internets. Präsident Ilcham Alijew gehört wie auch Lukaschenko zu den Feinden der Pressefreiheit.

AMERIKA

Die USA fielen um 27 Positionen auf Platz 47, weil die Polizei die Berichterstattung über die Occupy-Proteste behinderte. Innerhalb von zwei Monaten wurden mehr als 25 Fälle bekannt, in denen Journalisten verhaftet oder geschlagen wurden. Chile, wo die Polizei mit Gewalt gegen protestierende Studenten vorging, fiel um 47 Positionen auf Platz 80. Weitere Absteiger sind Brasilien (Platz 99), Paraguay (Platz 80) und Peru (Platz 115). Journalisten, die über Korruption, organisierte Kriminalität oder Umweltthemen berichten, riskieren dort nicht selten ihr Leben.

ASIEN/PAZIFIK

In China (Platz 174) hat sich die Situation 2011 verschlechtert. Nach den Protesten in der arabischen Welt hat das Regime die Überwachung der Medien, insbesondere im Internet, verstärkt. In keinem anderen Land sitzen mehr Journalisten und Blogger im Gefängnis. Auch Hongkong fiel stark ab: von Platz 34 auf Platz 54. In Vietnam (Platz 172) gerieten kritische Berichterstatter ebenfalls immer stärker unter Druck und wurden zum Teil zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Birma hingegen konnte seine Position (Platz 169) nach den Reformen der vergangenen Monate etwas verbessern, wenn es auch nach wie vor unter der autoritären Regierung leidet.

AFRIKA

Süd-Sudan ging nach seiner Unabhängigkeitserklärung im Juli 2011 als neuer Staat in die Rangliste ein. Als ehemalige Provinz eines der am schlechtesten platzierten Staaten (Sudan: Platz 170) erreichte das Land auf Anhieb einen bemerkenswerten 111. Platz. Niger verbesserte seinen Platz (29) erheblich, während andere ihre Position merklich verschlechterten: Uganda, wo Sicherheitskräfte nach den Wahlen im Februar rigoros gegen Oppositionelle und unabhängige Medien vorgingen, fiel um 43 Positionen auf Platz 139. Die Elfenbeinküste fiel nach einem blutigen Machtwechsel, unter dem auch die Medien stark litten, um 41 Positionen auf Platz 159.

DIE SCHLUSSLICHTER

Eritrea, Turkmenistan
und Nordkorea nehmen auch in diesem Jahr wieder die hintersten Plätze auf der Rangliste der Pressefreiheit ein: Diktaturen, die keinerlei bürgerliche Freiheiten zulassen. Ihnen folgen mit Syrien, Iran und China Länder, in denen das Regime nicht nur gegen Journalisten mit brutaler Gewalt vorgeht. Zu den repressivsten Staaten gehörten 2011 auch Bahrein (gefallen von Platz 144 auf 173) und Vietnam (gefallen von Platz 165 auf 172). Deutlich verschlechtert hat sich die Situation zudem in Belarus (Platz 168, 2010: 154) und in vielen afrikanischen Staaten, darunter Dschibuti, Malawi und Uganda.

DIE SPITZENREITER
An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder wie Finnland, Norwegen und die Niederlande. Sie zeigen einmal mehr, wie eng Demokratie und Pressefreiheit zusammenhängen und dass Demokratie unabhängige Medien braucht. Unter die ersten drei ist in diesem Jahr Estland aufgestiegen (2010: Platz 9). Mit Namibia und den Kapverden sind zudem erstmals zwei afrikanische Länder unter den ersten 20. Die größte Verbesserung innerhalb der Rangliste erreichte Niger, wo sich die innenpolitische Lage nach den Wahlen im Januar stabilisierte. Das Land stieg um 75 Positionen auf Platz 29.

Zur Rangliste 2011

Bericht Europa (deutsch)
Bericht Asien-Pazifik (englisch)
Bericht Afrika (englisch)
Bericht Amerika (englisch)
Bericht Naher Osten (englisch)

Hinweise zur Methode

Der Fragebogen