POLEN: Piotr Farfal bleibt Intendant der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt TVP

POLEN: Piotr Farfal bleibt Intendant der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt TVP

ein Gastkommentar von Dr. Magdalena Żelasko

Zum zweiten Mal scheiterte Anfang Mai der Versuch Piotr Farfał, des kommissarisch amtierenden Intendanten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Telewizja Polska TVP, abzuberufen. Wie bereits Mitte April, fehlte dem TVP-Aufsichtsrat bei der Abstimmung nur eine Stimme. Farfał, Nachfolger des bisherigen TVP-Direktors Andrzej Urbański (der als enger Vertrauter des Präsidenten Lech Kaczyński gilt), hatte die Leitung des Fernsehensenders im vergangenen Dezember übernommen. Er vertritt die rechts-radikale Liga der Polnischen Familien (LPR), die zwischen Mai und September 2006 eine Regierungskoalition mit der Kaczyński-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der linkspopulistischen Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) bildete. Die Vertreter von LPR und Samoobrona sind im Rundfunkrat und im Aufsichtsrat immer noch mit einer Mehrheit vertreten.

Der 30-jährige Jurist polarisiert vor allem aufgrund seiner politischen Vergangenheit. Als Student gehörte er der umstrittenen Jugendorganisation Allpolnische Jugend an, deren Mitglieder immer wieder mit Gewalttaten gegenüber sexuellen und ethnischen Minderheiten in Verbindung gebracht werden. Während des Studiums schrieb er mehrere fremdenfeindliche und antisemitische Aufsätze für rechtsextreme Zeitschriften wie “Szczerbiec” (“Das Schwert”) und das Neonazi-Blatt “Front”. Die linksliberale Tageszeitung “Gazeta Wyborcza”, die ihn unter Berufung auf ein Zitat aus “Front”: “Wir tolerieren keine Feiglinge, Verräter, Juden” als “Ex-Neonazi” bezeichnete, konnte sich im vergangenem Jahr vor Gericht erfolgreich gegen die Klage behaupten. Eine Gruppe polnischer Kulturschaffender unter Regisseur Krzysztof Krauze protestierte bereits in einem offenen Brief gegen Farfał. Auch der deutsch-französische Fernsehsender ARTE beendete im Februar dieses Jahres die Zusammenarbeit mit dem TVP mit der Begründung, er könne die Werte von dessen Chef Farfał nicht teilen. 


Kritiker werfen Farfał Zensur und eine Politisierung des Senders vor. Bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Farfał mehrere Schlüsselpositionen des Senders mit Mitgliedern der LPR und der Allpolnischen Jugend besetzt, gleichzeitig wurden etliche kritische Journalisten entlassen, viele davon unter dem Vorwand der Restrukturierung des Senders. Auch mehrere umstrittene politische Berichte (wie etwa jene, die der EU-kritischen gesamteuropäischen politischen Bewegung Libertas und der Partei LPR bei der Europaparlamentswahl helfen sollen) werden laufend ausgestrahlt. Immer wieder wird daran erinnert, dass Farfał bereits bestehende Verträge widerruft, wie etwa einen zur Koproduktion eines Spielfilms über Irena Sendler, die im Zweiten Weltkrieg über 2500 jüdischen Kindern das Leben gerettet hat. Farfał wird voraussichtlich bis März 2009 im Amt bleiben, es sei denn, die regierende Bürgerliche Plattform (PO) unter Ministerpräsident Donald Tusk und die linke Opposition PiS einigen sich auf ein neues Mediengesetz. Das geplante Mediengesetz ist jedoch umstritten und wird von vielen Politikern und Intellektuellen kritisiert. Der Plan sieht u.a. die Abschaffung der Fernsehgebühren vor, was die politischen Einflüsse auf die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten weiter verschärfen könnte.

Das Fernsehen TVP ist mit drei landesweiten Programmen (TVP1, TVP2, TVP Info) und mehreren Spartenkanälen die größte Senderfamilie des Landes und kommt derzeit auf rund 36 Prozent Marktanteil. Seit 2007 betreibt TVP auch das Satellitenprogramm Belsat TV mit Sendungen in weißrussischer Sprache.

Dr. Magdalena Żelasko, gebürtige Polin aus Krakau, wohnt seit 1995 in Österreich. Nach ihrem Studium der Slawistik und der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien war sie mehrere Jahre für Unternehmen aus der Finanz- und Werbebranche tätig. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin für mehrere internationale Medien und unterrichtet Medienlandschaft und Dokumentarfilm in Zentral- und Osteuropa am Institut für Slawistik an der Universität Wien.