„Ich kann den Gedanken von Ungerechtigkeit nicht ertragen”

„Ich kann den Gedanken von Ungerechtigkeit nicht ertragen”

„Ich kann den Gedanken von Ungerechtigkeit nicht ertragen”

Daphne Caruana Galizia, eine maltesische Investigativjournalistin, wurde am 16.10.2017 durch eine Autobombe ermordet. Bis heute wurden die Hintermänner des Verbrechens nicht zur Rechenschaft gezogen. Reporter ohne Grenzen Österreich gedachte bei einer Mahnwache vor der maltesischen Botschaft gemeinsam mit dem International Press Institute und Presseclub Concordia der außergewöhnlichen Journalistin. In einem Brief, der vor den Versammelten verlesen wurde, brachte Galizias Nichte ihre Gefühle und ihre Dankbarkeit gegenüber den vielen Unterstützer*innen auf der ganzen Welt zum Ausdruck.

 

Brief von Galizias Nichte Amy Mallia, deutsche Übersetzung von Sarah Kleiner.

Ich war in der Schule an dem Tag, als meine Tante, Daphne Caruana Galizia, ermordet wurde. Im Unterricht wurde ich gefragt, was ich einmal werden möchte. Ich erinnere mich, dass ich ohne zu zögern gesagt habe, dass ich gerne Journalistin wäre wie meine Tante, nur um ein paar Stunden später heimzukommen und zu erfahren, dass jemand sie umgebracht hatte. Es scheint heute als hätte ich gewusst, dass Daphne etwas zustoßen würde, meine Antwort bleibt dennoch dieselbe. Daphne war und ist immer noch ein Vorbild für mich. Sie lebte, woran sie glaubte und hat nie klein beigegeben.

Diese vergangenen zwei Jahre waren ein Strudel aus Mahnwachen, Treffen, Demonstrationen und Nachrichtenberichten, geprägt vom Versuch, einen Sinn in Artikeln zu finden, die vor Hass trieften und voll mit falschen Beschuldigungen gegen meine Familie waren, von manch verbalem Missbrauch auf der Straße, vom Gesagtbekommen, dass jemand besser auch unter meinem Autositz eine Bombe versteckt hätte. Das ist nicht normal, aber andererseits ist Malta zur Zeit auch kein normales Land. Wäre es eines, dann wäre Daphne nicht ermordet worden.

Ich hatte Glück, Daphne als Heranwachsende persönlich gekannt zu haben – ein Privileg, das ihren Kindern verwehrt sein wird. Ich teilte viele Erinnerungen mit ihr in den 15 Jahren, die sie in meinem Leben war. Erinnerungen voller Liebe, Gelächter und gemeinsamen Interessen. Ich wünschte, sie wäre noch hier. Sie hätte ein längeres Leben verdient. Sie hätte ihre Familie aufwachsen sehen sollen, all die Orte besuchen, die sie noch sehen wollte, und schreiben, was sie schreiben wollte. Sie hat eine bessere Version von Malta verdient, die, für die sie bis zum letzten Moment gekämpft hat.

Als Daphne getötet wurde, blieben wir zurück ohne auch nur einen mutigen Journalisten in Malta, der das schreiben würde, von dem sie glaubte, dass wir ein Recht haben es zu erfahren. Sie schrieb einmal: „Ich kann den Gedanken von Ungerechtigkeit nicht ertragen, noch weniger ihr reales Bestehen. Es ist wahr, dass das Leben unfair ist und dass vieles nicht mehr zu retten ist, aber immer da, wo ich etwas tun kann, um Unfairness zu vermeiden oder auszugleichen, werde ich etwas tun.“

Gerechtigkeit für Daphne wird nicht leicht zu erreichen sein, nicht, wenn unser Justizminister, der unsere Rechte schützen sollte, die tägliche Reinigung des Protestdenkmals in Maltas Hauptstadt Valletta anordnet. Denen, die Daphnes Ermordung beauftragt haben, sagen wir: Ihr werdet nicht davonkommen mit dem was ihr getan habt. Egal wie viel Geld, wie viel Macht oder welche Position ihr habt, ihr könnt der Wahrheit nicht entkommen und ihr könnt die Erinnerung an Daphne nicht auslöschen.

Daphnes Leben wurde zu früh beendet, aber ihr Vermächtnis lebt weiter, in ihrer starken Familie, vor allem in meinen Großeltern Rose und Michael, und in meinen Cousins, Daphnes Söhnen, Matthew, Andrew und Paul. Es lebt in jedem weiter, der die Erinnerung an sie am Leben erhält und nicht aufhört, trotz persönlicher Risiken für Gerechtigkeit zu kämpfen. Und es lebt weiter in den Journalisten, die Daphnes Werk in Malta und überall anders fortsetzen, die jedermanns Recht zu wissen verteidigen, die uns daran erinnern, dass wahre Demokratie nur existieren kann, wenn Journalisten frei arbeiten können.

Die vergangen zwei Jahre waren schwierig und oft einsam, aber es tröstet zu wissen, dass wir nicht allein sind. An die vielen Menschen überall auf der Welt, die für Gerechtigkeit für Daphne kampagnisieren, einschließlich der Organisatoren dieser Veranstaltung, an jeden, der heute hier ist und die vielen anderen, die gerne hier wären, Danke von Herzen.

Nach der Gedenkfeier wurde der Botschafterin der Republik Malta ein Brief überreicht, in dem die Organisationen erneut die Aufklärung des Verbrechens und die Wahrung der Pressefreiheit durch das EU-Land Malta fordern.