Honduras: Brutaler Polizeiangriff auf JournalistInnen

Honduras: Brutaler Polizeiangriff auf JournalistInnen

Honduras: Brutaler Polizeiangriff auf JournalistInnen

Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen in Honduras verstärken sich gewalttätige Angriffe staatlicher Sicherheitskräfte gegen JournalistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen. Zum Brennpunkt der Auseinandersetzungen wurde zuletzt die von Studierenden besetzte Nationale Universität (UNAH). „Wir fordern eine energische Reaktion der internationalen Gemeinschaft, um weitere Attacken und Kriminalisierung von Medienschaffenden im Vorfeld der Wahlen zu verhindern“, so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Andrea Lammers vom Ökumenischen Büro München war in den vergangenen Wochen in Honduras und berichtete von dort: Nachdem sich auf dem Universitätsgelände in der Hauptstadt Tegucigalpa Widerstand formiert hatte, wurde gegen mindestens 50 Studierende wegen der Proteste gegen die herrschende Repression ein Strafverfahren eingeleitet. Es gab mehrere gewaltsame Räumungen. Ein Student und der Vater eines Studenten, der gegen die Kriminalisierung seines Sohnes protestiert hatte, wurden von Unbekannten erschossen.

In der vergangenen Woche eskalierte die Situation erneut. Während einer Räumung hielten Polizisten acht Studierende, drei Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen und die Journalistin Tomy Morales für mehrere Stunden in einem Kleinbus der staatlichen Ombudsstelle für Menschenrechte fest. Beim Aussteigen sprühten sie jedem einzelnen Reizgas direkt ins Gesicht.

Morales und die weiteren Businsassen wurden in Handschellen abgeführt und auf ein Polizeirevier gebracht. Ebenso wie weitere Opfer der Polizeiattacke trug die Journalistin erhebliche Gesundheitsschäden davon. Sie musste nach ihrer Haftentlassung für mehrere Tage in ein Krankenhaus.

Menschenrechtsorganisationen und Reporter ohne Grenzen fordern nun eine energische Reaktion der internationalen Gemeinschaft: „Geberländer und nicht zuletzt die Europäische Union müssen Druck auf die honduranische Regierung ausüben,“ sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Wenn dieses Vorgehen der Polizei nicht sofort und entschlossen geahndet werden würde, sei weiteren Attacken im Vorfeld der Wahlen Tür und Tor geöffnet. Möhring: „Medienschaffende und MenschenrechtsverteidigerInnen dürfen nicht mit konstruierten Anklagen mundtot gemacht werden. Sie benötigen vielmehr Freiheit und Schutz für ihre Arbeit.“

Die Journalistin Tomy Morales (39) studierte Journalismus an der UNAH und arbeitet für unabhängige Medien, u.a. ist sie als Reporterin für das Internetmagazin pasosdeanimalgrande.com und für die honduranische Vereinigung für Demokratie und Menschenrechte ASOPODEHU tätig. Aufgrund ihrer Arbeit ist sie ständig Überwachung, Verfolgung und Übergriffen ausgesetzt. 2016 verließ sie aus Sicherheitsgründen das Land und nahm am niederländischen „Shelter Cities“-Programm teil.

Morales berichtete intensiv über die Anliegen der Studierenden an ihrer Alma Mater. Gemeinsam mit der Journalistin und honduranischen PEN-Präsidentin Dina Meza begleitete sie die Studierenden während eines mehrwöchigen Hungerstreiks auf dem Universitätsgelände. Am Morgen des 8. September 2017 stellte Morales einem Polizeioffizier während eines Interviews, das dieser den Mainstream-Medien gab, Zwischenfragen nach der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes gegen die Studierenden, worauf dieser sehr ungehalten reagierte. Derselbe Polizeioffizier war AugenzeugInnen und Fotos zufolge einer der Hauptbeteiligten des Reizgasangriffes am Nachmittag. Die Journalistin muss mit einem Gerichtsverfahren wegen „Angriffs auf die Sicherheit des Staates“ rechnen.

Die Pressefreiheit in Honduras ist seit dem Staatsstreich 2009 massiv bedroht. Wenige Unternehmerfamilien kontrollieren die großen Medien des Landes. In letzter Zeit wird verstärkt auch von direkten Eingriffen der Regierung in die Berichterstattung berichtet. Auf JournalistInnen werden immer wieder Anschläge verübt. Mindestens 30 Medienschaffende wurden seit 2009 ermordet. Anlass zur Sorge geben zudem neue rechtliche Regelungen, die eine unabhängige und kritische Berichterstattung erschweren, wie das Gesetz zur Geheimhaltung staatlicher Informationen aus dem Jahr 2015 oder das 2017 reformierte Strafrecht. Letzteres stellt die Berichterstattung über sozialen Protest unter Strafe, sobald dieser als „Terrorismus“ klassifiziert wird.

Honduras belegt den 140. Platz von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit (World Press Freedom Index) von Reporter ohne Grenzen.