Dreiste Lügen in Teheran

Dreiste Lügen in Teheran

Regierung verharmlost Folter an Blogger – Tod auf Raten der Menschenrechtsaktivistin Mohammadi

Weder zu Lebzeiten noch im Tod sind iranische Folteropfer vor dreisten Lügen gefeit. Kaum ist der 35-jährige Blogger Sattar Beheshti begraben, erklärt das offizielle Teheran, er sei bei Verhören weder misshandelt noch seien Folterspuren an seinem Körper diagnostiziert worden.


Behesti war kurz vor seinem Tod in das Polizeigefängnis Kahrizak im Süden Teherans überführt worden. Dort waren bereits 2009 drei Mitglieder der “Grünen Bewegung” zu Tode gekommen.

Man werde die Todesursache jedoch weiter untersuchen, so Alaeddin Borujerdi, der parlamentarische Leiter der nationalen Sicherheit, in einem Interview mit einer semioffiziellen, studentischen Nachrichtenagentur. Jedenfalls habe man weder Knochenbrüche noch Schädelverletzungen finden können. Hinzuzufügen sei, dass die Ärzte des Evin-Gefängnisses, der berüchtigten Haftanstalt für politische Gefangene, vor seinem Abtransport nach Kahrizak protokolliert hatten, Beheshti sei “extrem außer sich gewesen”, weshalb sie eine psychiatrische Untersuchung angeregt hätten. Der Familie war mitgeteilt worden, er sei an Herzversagen gestorben, obwohl er, wie seine Schwester erklärte, nie Herzprobleme gehabt habe.
Verhaftet am 30. Oktober

Ende Oktober war Bekeshti verhaftet worden. Am 5. November wurde die Familie benachrichtigt, sie könne seinen Leichnam abholen. In einem Kassiber, noch vor seinem Tod aus dem Teheraner Hochsicherheitsgefängnis herausgeschmuggelt und auf der oppositionellen Internetseite “Kalameh” veröffentlicht, schreibt er:

“Ich, Sattar Beheshti, wurde am 30. Oktober 2012 von der Cyber-Polizei ohne Haftbefehl in meiner Wohnung festgenommen. Während der zweitägigen Verhöre wurde ich auf verschiedene Weise geschlagen und angegriffen, sowohl ich als auch meine Mutter wurden beleidigt, während sie meinen Kopf und meinen Körper schlugen und traten.

Jetzt, am 1. November, will die Cyber-Polizei mich ein weiteres Mal verhören. Ich möchte mitteilen, dass die Cyber-Polizei für alles verantwortlich zu machen ist, was mir zustößt. In den zwölf Stunden, die ich in Zelle 2 des Traktes 350 verbrachte, haben die anderen Gefangenen in dieser Zelle die Foltermale auf meinem Körper gesehen. Ich habe der Gerichtsmedizin zwei Mal berichtet. Jetzt übergebe ich meinen Bericht an Sie und bitte darum, dass Sie die Angelegenheit untersuchen.”
UN-Untersuchung eingeleitet

Diesen Freitag kam die Meldung, dass nun auch der UN-Sonderberichterstatter eine detaillierte Aufklärung des Falles verlangt. Irans Justizsprecher Gholamhossein Mohseni Ejehi hat eine entsprechende Untersuchung eingeleitet. Immerhin haben bereits 41 Gefängnisinsassen schriftlich bezeugt, dass sie Folterspuren auf dem Körper von Beheshti gesehen haben, als dieser sich nach einem stundenlangen Verhör zurück in den Haftraum geschleppt hatte.
Heuer mindestens 19 Blogger im Iran inhaftiert

Beheshti ist einer von mindestens 19 Bloggern, die in diesem Jahr in Iran verhaftet wurden. Vier wurden bereits im Januar zum Tode verurteilt. Die Anklage lautete auf Gotteslästerung, Korruption, Zusammenarbeit mit ausländischen Regierungen, Betreiben oppositioneller Websites. Laut “Reporter ohne Grenzen” ist Iran eines der größten JournalistInnen-Gefängnisse der Welt.
JournalistInnen fliehen

Widerrechtlich doch generell erhalten JournalistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen keine öffentlichen Prozesse, die Urteile werden von Einzelrichtern nicht von Geschworenen gefällt. Laut des Septemberberichts des UN-Sonderberichterstatters über die Lage der Menschenrechte in Iran dürften seit der brutalen Niederschlagung der Proteste anlässlich der Präsidentschaftswahlen 2009 zwischen 150 und 400 JournalistInnen aus dem Lande geflohen sein.
Nargess Mohammadi ist geblieben

Nargess Mohammadi, die einstige Stellvertreterin der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, ist geblieben. Auch ihr Ehemann, der prominente, oppositionelle Journalist Taghi Rahmani, konnte sie im Frühjahr 2010 nicht zur gemeinsamen Flucht nach Frankreich bewegen. Ihm drohte damals eine Haftstrafe von 14 Jahren. Kaum war Rahmani in Paris angekommen, wird seine Frau in Geiselhaft genommen, in das Evin-Gefängnis gebracht, schließlich zu sechs Jahren Haft verurteilt. Die zwei kleinen Kinder bleiben bei den Großeltern.
Tod auf Raten

Mohammadi leidet an einer vermutlich durch psychische Belastungen bedingten, seltenen Krankheit: stundenlange Lähmungen, Sehstörungen, Ohnmachtsanfälle. Im August wurde sie im Rahmen eines “Krankenurlaubs” in häusliche Pflege übergeben. Ein Tod auf Raten.
Mahnwache für Darius und Parwaneh Fohourar

Am 21. November jährt sich übrigens wieder der Tag, an dem das oppositionelle Ehepaar Darius und Parwaneh Fohourar 1998 vom iranischen Geheimdienst in ihrem Haus niedergestochen wurde. Ihre Tochter, die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Fohourar hält, wie seitdem jedes Jahr, im elterlichen Haus in Teherans Stadtmitte eine Mahnwache. Besuchen darf sie dort niemand. Darüber wacht der Geheimdienst.