Belarus: rund 50 JournalistInnen innerhalb von zwei Tagen verhaftet

Belarus: rund 50 JournalistInnen innerhalb von zwei Tagen verhaftet

Nachdem sie von landesweiten Protesten in Belarus (Weißrussland) am vergangenen Wochenende berichtet hatten, wurden mindestens 49 JournalistInnen und BloggerInnen verhaftet und zunächst mindestens fünf zu Gefängnisstrafen verurteilt. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das scharfe Vorgehen und fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen: „Diese brutale und systematische Polizeischikane stellt eine eklatante Verletzung der Medienfreiheit dar“, erklärt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Durch die Verurteilungen vom 25. und 26. März beläuft sich die Zahl von verhafteten ReporterInnen in Belarus mittlerweile auf circa 100 seit dem 10. März – das ist auch ein Zeichen für die Verschärfung der repressiven Methoden, die von den Behörden als Antwort auf die Welle von Antiregierungsprotesten angewendet werden.

Gegen fünf Journalisten wurden am Montag Gefängnisstrafen wegen Hooliganismus und Teilnahme an unautorisierten Demonstrationen verhängt. Wie auch die Proteste selbst, war dieses Vorgehen beispiellos seit 2011.

„Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf die Regierung in Belarus ausüben. Die Journalisten, die für die Ausübung ihrer Arbeit verhaftet wurden, müssen sofort freigelassen und alle Anklagen fallengelassen werden. Das Vorgehen der Regierung unterstreicht die dringende Notwendigkeit, aus Achtung der Menschenrechte strenge Bedingungen für Wiederannäherungen mit Belarus zu setzen,“ so Rubina Möhring.

Massenverhaftungen

Der vergangene Samstag wird als ein schwarzer Tag in die Mediengeschichte in Belarus eingehen. Die Demonstration, die die Opposition traditionell jeden 25. März – den Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes 1918 – abhält, gewann dieses Jahr durch die aktuelle Welle an Protesten an spezieller Bedeutung.

Um die Proteste im ganzen Land zu zerstreuen, wurde von der Polizei Gewalt angewandt und hunderte von Demonstranten verhaftet. Die JournalistInnenvereinigung Belarus (Belarus Association of Journalists, BAJ), ein Partner von Reporter ohne Grenzen, sprach von mindestens 26 verhafteten JournalistInnen in Minsk, vier in der südöstlichen Stadt Homyel und drei weiteren in der nordöstlichen Stadt Vitsebsk.

Volha Davydava, Ihar Ilyashyn, Katsiaryna Bakhvalava, Volha Morva and der britische Reporter Filip Warwick wurden während der Berichterstattung über die Demonstration in Minsk von der Polizei geschlagen.

Weitere Verhaftungen fanden während den am nächsten Tag folgenden, kleineren Demonstrationen statt. Mindestens 16 JournalistInnen wurden in Minsk, Vitsebsk, Babruysk, Brest, Homyel und Orsha verhaftet.

Wegen der Arbeit als Journalist verurteilt

Am 27. März verurteilte ein Gericht in Minsk den Reporter Alyaksandr Barazenka zu 15 Tagen Gefängnishaft wegen Hooliganismus. Er arbeitet für Belsat TV, eine sich im Nachbarland Polen befindliche Exil-TV-Station. Das Gericht akzeptierte die Zeugenaussage eines Polizisten, obwohl Filmmaterial von Barazenka zum Zeitpunkt der Verhaftung am 25. März während der Demonstration klar zeigte, dass er nur seine Arbeit ausgeführt und sich als Journalist ausgewiesen hatte.

Nachdem er das Wochenende in Polizeigewahrsam verbracht hatte, wurde der Redakteur der Nachrichtenwebsite InformNapalm, Dzianis Ivashyn, vorgestern zu einer Gefängnisstrafe von fünf Tagen für die „Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration“ verurteilt.

Mitglieder der JournalistInnenvereinigung Belarus (BAJ), Kanstantsin Mardvintsau und Leanid Svetsik, wurden mit einer Strafe von 15 Tagen Gefängnis für die Teilnahme an der Kundgebung belegt, während Arsyom Sizintsau, Korrespondent für Radio Racyja, zu einer Strafe von zehn Tagen für dasselbe Vergehen verurteilt wurde.

Auslöser der Proteste

Die unüblich großen Demonstrationen finden seit Ende Februar in Belarus statt und richten sich gegen eine neue Steuer auf „Sozialschmarotzer“, die gegen jeden anwendbar wird, der weniger als sechs Monate pro Jahr arbeitet.

Präsident Lukashenko hob die Steuer am 9. März zwar auf, ordnete aber dem Innenministerium an, „extrem schwere Maßnahmen“ gegen die „Anstifter“ der Protestbewegungen zu ergreifen und die „perfekte Ordnung“ wiederherzustellen. Die Polizei begann unmittelbar, die Proteste mit weitaus größerer Gewalt aufzulösen. Die Behörden bezichtigen nun „ausländische Geheimdienste“ des Versuchs der Destabilisierung der Regierung.

Belarus belegt den 157. Platz von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit 2016 (World Press Freedom Index) von Reporter ohne Grenzen.

2015 vergab Reporter ohne Grenzen den mit 6.000 Euro dotierten Press Freedom Award an die weißrussischen Journalisten Frau Natalia Radzina und Herrn Jahor Marcinovich.