BBC-Skandal um Jimmy Savile: Ein Ritter ohne Ehre

BBC-Skandal um Jimmy Savile: Ein Ritter ohne Ehre

Blog von Rubina Möhring

Starmoderator verging sich offenbar an Frauen und Kindern

Großbritanniens Öffentlichkeit steht Kopf. Der langjährige BBC-Starmoderator und Publikumsliebling Jimmy Savile hat sich offenbar als “Sexmonster” entpuppt, seine öffentliche Reputation als “Wohltätigkeitsmensch” schamlos ausgenutzt und sich an Frauen und Kindern vergangen. Die Polizei spricht von 200 möglichen Opfern. Mehr als eine schlimme Sache: ekelhaft. Schlimm ist jedoch auch, dass die BBC das zu vertuschen versucht hatte.


Die BBC zieht den Kopf ein. Savile selbst “kratzt” sein ramponiertes Ansehen nicht mehr. Im Oktober vergangenen Jahres ist er hoch dekoriert im Alter von 84 Jahren gestorben. Savile war ein ehemaliger DJ, der sich dank seiner BBC-Popularität zum Berater des Kronprinzen heraufgearbeitet hatte, zum Ritter geschlagen wurde, ein öffentliches Idol wurde. Bei seinem Tod trauerten tausende treue Fans.

Savile, ein Ritter, dem nun posthum auch ganz offiziell diese Ehre aberkannt werden soll. Sei’s drum. Der Ehrverlust der BBC als öffentlich-rechtlicher Sender wiegt ungleich schwerer. Abgründe tun sich auf, selbst wenn ein Chefredakteur nun anstandshalber den Hut genommen hat. Einer musste das ja tun, um im Sinne des Senders Fehlverhalten personalisieren und damit hoffentlich schubladisieren zu können.
Ausstrahlung von Doku abgelehnt

Peter Rippon, Chefredakteur der BBC-Nachrichtensendung “Newsnight”, hatte, so heißt es, aufgrund sogenannter journalistischer Zweifel Ende vergangenen Jahres die Ausstrahlung einer von der eigenen Redaktion produzierten Dokumentation zum Thema Missbrauch abgelehnt. Die Recherchen in Sachen Savile dürften dem weihnachtlichen Celebrity-Kult nicht entsprochen haben.

Manche vermuteten schon damals einen Zusammenhang mit dem prominent angekündigten BBC-Special “in memoriam Jimmy Savile”. Die Trauer um Savile wurde groß aufgeblasen, das Publikum zog mit. Kaufmännisch war das zweifellos eine Erfolgsstory, die nicht durch Wahrheiten gemindert werden sollte.
“Schwamm drüber”

Saviles Neigung zu sexuellen Abwegigkeiten war inoffiziell längst ein offenes Geheimnis. Dennoch: “Schwamm drüber”, entschied die BBC. Ob dies eine einsame Entscheidung des am Montag zurückgetretenen Chefredakteurs oder die höherer Instanzen war, sei dahingestellt. Die ganze Sache musste irgendwie abgebogen werden.
Gradmesser im negativen Sinn

Auf den Waagschalen standen Ethik versus ökonomische Interessen. In welche Tiefen ein öffentlich-rechtlicher Sender abrutschen kann, wenn er quotengeil weniger inhaltlich integeren, sondern rein kaufmännischen Strategien folgt, hat die BBC im Fall Savile bestens bewiesen. Insofern ist sie in diesem Fall leider auch im negativen Sinn ein Gradmesser.

Die in- und externen Ohrfeigen, die sich die BBC, angepasst an kommerziell bedingte Scheinheiligkeit, selbst versetzt hat, sind für das öffentlich-rechtliche Interesse unvergleichlich schmerzlich und folgenschwer. Die BBC-Führung wollte nicht sehen, was längst evident war, aber nicht sein durfte. Vertuschung der Schwächen eines Quotenbringers hatte höhere Priorität als Wahrheitsfindung. Im Rahmen von Religionsgemeinschaften ist so etwas mehr als bedenklich, in einem öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen unverzeihlich.

Geradezu rührend wirkt im Zusammenhang mit dem BBC-Skandal der Handschwinger eines bekanntermaßen unangepassten Rappers, der kürzlich einen geschniegelten ORF-Gesellschaftsreporter vor laufender Kamera zu Boden brachte. Das war eine publikumswirksame Aktion, insofern vielleicht sogar vorauszuahnen. Klar ist, dass daraufhin ein Auftrittsverbot verhängt wurde. Was jedoch hinter Studiokulissen geschehen kann, ist bei weitem brutaler.

Vorbei sind Zeiten öffentlich-rechtlicher Intransparenz

Im Fall der BBC sprechen Kommentatoren von deren größten Krise seit 50 Jahren. Ein privater Konkurrenzsender hatte den Stein ins Rollen gebracht. Vorbei sind die Zeiten öffentlich-rechtlicher Intransparenz. Vorbei auch die Zeiten alleiniger Dominanz im Bereich der elektronischen Medien. Wertvolle Mitarbeiter können, wenn ihre Leistung missachtet wird, inzwischen auch branchenintern abwandern.